NEWS / Aktuelle Rechtsprechung im Arbeitsrecht

Altersdiskriminierender Kündigungsschutz im Kleinbetrieb

 

Das Kündigungsschutzgesetz ist grundsätzlich nur anwendbar, wenn im Betrieb mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt werden. Auch in vom Kündigungsschutzgesetz ausgenommenen Kleinbetrieben kann eine Kündigung unbegründet sein, so u. a. nach einer neueren Entscheidung des BAG mit Urteil vom 23.07.2015 zu Aktenzeichen 6 AZR 457/14, wenn z. B. eine Altersdiskriminierung vorliegt.

 

Damit ruft das BAG Grundsätze einer in der Praxis wenig beachteten Entscheidung vom 21.02.2001 (2 AZR 15/00) in Erinnerung, nach der auch im Kleinbetrieb die Kündigungsgründe gerichtlich überprüfbar sind, so seinerzeit bei einer Auswahl unter mehreren Arbeitnehmern, die unter Beachtung eines Mindestmaßes an sozialer Rücksichtnahme durchzuführen ist. Die in der Praxis häufig angewendete „Formel“: Kündigungen in Kleinbetrieben im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes sind stets wirksam, wenn die Form (mindestens Schriftform) und die Kündigungsfrist eingehalten sind, greift insofern grundsätzlich zu kurz.

Mindestlohn-Regelung ab 2015 – Herausforderungen bei der Gestaltung und Änderung von Arbeitsverträgen

 

Mit der ersten Lesung im Bundestag zum sogenannten „Tarifautonomiestärkungsgesetz“ (BT-Drs.18/1558) am 05.06.2014 ist ein weiterer Meilenstein im Gesetzgebungsverfahren zur Einführung eines flächendeckenden bundesweiten Mindestlohnes ab 01.01.2015 absolviert.

 

Mit Blick auf den Fortgang des Gesetzgebungsverfahrens ist eine frühzeitige Orientierung über die zu erwartenden Regelungen geboten, auch wenn sich im Verfahren bis zur Verkündung des Gesetzes durchaus noch politisch oder sachlich gewollte oder notwendige Änderungen ergeben können. Die Eckpunkte sind mit dem Koalitionsvertrag gesetzt und die Konturen des Gesetzes zeichnen sich angesichts des Gesetzesentwurfes, insbesondere aber auch in Ansehung an die bisher schon bestehenden Regelungen und deren Anwendungspraxis so hinreichend ab, dass notwendige Überlegungen – mindestens im Kontext ggf. gerade aktuell laufender oder anstehender Arbeitsvertragsgestaltungen und/oder Tarifverhandlungen/Verhandlungen über eine Betriebsvereinbarung -auf der Hand liegen.

 

 

Was sind die Eckpunkte der Regelung?

 

Ab 01.01.2015 wird ein bundesweiter Mindestlohn eingeführt. Der Geldfaktor steht inzwischen mit 8,50 € fest.

 

Tarifverträge mit niedrigeren Brutto-Stundenlöhnen sollen bis Ende 2016 weiter gelten können, so dass der Mindestlohn branchen- und tarifvertragsabhängig uneingeschränkt erst ab 2017 greift.

 

Ab 01.01.2018 und dann ggf. jährlich erfolgt eine Anpassung des Mindestlohnes.

 

Über das schon existierende und bewährte System der Allgemeinverbindlichkeitserklärung können über ein gesetzlich reglementiertes Verfahren Tarifverträge einzelner Branchen auch in Zukunft auf nicht tarifgebundene Arbeitnehmer und Arbeitgeber ausgedehnt werden und insofern auch branchenspezifisch abweichende (mittelfristig stets höhere) Mindestlöhne bestimmen.

 

Welche Rahmenbedingungen und Mechanismen bestehen grundsätzlich?

 

Die Arbeitnehmer haben einen Anspruch auf Zahlung des Arbeitsentgeltes mindestens in Höhe des Mindestlohnes.

 

Bezahlt wird  die tatsächlich anfallende Arbeitszeit. Der Mindestlohn bezieht sich auf die Zeitstunde. Die Vereinbarung von Stücklöhnen und Akkordlöhnen bleibt zulässig, wenn gewährleistet ist, dass der Mindestlohn für die geleisteten Arbeitsstunden mindestens erreicht wird.

 

Der Mindestlohn ist zum Zeitpunkt der vereinbarten Fälligkeit, spätestens am letzten Bankarbeitstag (Frankfurt am Main) des Monats, der auf den Monat folgt, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde, fällig (= letzter Bankarbeitstag des Folgemonats).

 

Nur auf der Grundlage eines schriftlich vertraglich vereinbarten Arbeitszeitkontos kann die über die vertraglich vereinbarte (regelmäßige) Arbeitszeit hinausgehende Arbeitszeit vorerst in einem Arbeitszeitkonto geführt werden, ohne dass eine Auszahlung des Mindestlohnes erforderlich ist, wenn in einem Ausgleichszeitraum (derzeit im Entwurf des Gesetzes innerhalb von12 Kalendermonaten nach ihrer monatlichen Erfassung) ein Ausgleich durch bezahlte Freizeitgewährung oder Zahlung des Mindestlohnes erfolgt. Im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sind nicht ausgeglichene Arbeitsstunden spätestens in dem auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses folgenden Kalendermonat auszugleichen.

 

In das Arbeitszeitkonto können monatlich max. 50 % der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit eingestellt werden, ohne dass es vorerst einer Auszahlung bedarf.

 

Von den gesetzlichen Regelungen abweichende Regelungen sind unwirksam.

 

Eine Verwirkung des Anspruchs (durch Ausschlussfristen) ist ausgeschlossen.

 

Das Gesetz gilt für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Praktikantinnen und Praktikanten fallen nur unter den im Gesetz geregelten Ausnahmen aus dem Anwendungsbereich heraus. Weitere Ausnahmevorschriften werden hier unter Berücksichtigung der grundsätzlichen Ausführungen nicht behandelt.

 

Der allgemeine Mindestlohn bildet spätestens ab 01.01.2017 die unterste Grenze, die auch von Branchenmindestlöhnen nicht unterschritten werden darf.

 

Es bestehen Sanktionsmechanismen über Ordnungswidrigkeitsregelungen und zum Ausschluss von öffentlichen Aufträgen.

 

Was muss man aus der bisherigen Praxis im Blick behalten?

 

Der aus der bereits bestehenden Mindestlohnpraxis althergebrachte und in das Gesetz übernommene Grundsatz ist die Bezahlung der Zeitstunde für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden. Die monatlich geleisteten Stunden sind für den Monat zum Fälligkeitszeitpunkt auszuzahlen. Davon kann nur abgewichen werden, wenn ein schriftlich vereinbartes Arbeitszeitkonto besteht. Für den Ausgleich der dort angesammelten Stunden gelten die im Gesetz niedergelegten Zeitkorridore.

 

Soweit also real „Überstunden“ anfallen, bedarf es entweder der sofortigen Bezahlung oder der Schaffung eines Arbeitszeitkontos und entsprechender Vereinbarungen.

 

Beim Mindestlohn handelt es sich um einen Bruttostundenlohn. Für geringfügige Arbeitsverhältnisse bestehen keine Ausnahmen.

 

Bisher galten folgende Grundsätze für die Mindestlohnermittlung, die mangels anderweitiger gesetzlicher Regelung wohl weiter zu beachten sind:

 

  • Vom Arbeitgeber gezahlte Zulagen oder Zuschläge werden als Bestandteile des Mindestlohns berücksichtigt, wenn ihre Zahlung nicht von einer Arbeitsleistung des Arbeitnehmers abhängt die von der geschuldeten vorgesehenen Normalleistung abweicht. Das waren bisher der Bauzuschlag und Zulagen, die im Arbeitsvertrag als Differenz zwischen dem heimischen Lohn und dem geschuldeten Mindestlohn ausgewiesen waren.

 

  • Unter bestimmten Voraussetzungen waren weitere Zulagen und Zuschläge zu berücksichtigen.

 

  • Nicht berücksichtigt wurden u. a.

 

  • Akkordprämien
  • Qualitätsprämien
  • Zuschläge für Arbeit zu besonderen Zeiten (unter bestimmten Prämissen: Überstunden, Sonn- oder Feiertagsarbeit)
  • Arbeit unter erschwerten oder gefährlichen Bedingungen (Schmutzzulagen, Gefahrzulagen etc.)

 

  • Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld wurden als Bestandteil des Mindestlohnes gewertet, wenn der Arbeitnehmer den auf die „Entsendezeit“ (Bemessungszeitraum) entfallenden anteiligen Betrag jeweils zu dem für den  Mindestlohn maßgeblichen Fälligkeitsdatum tatsächlich und unwiderruflich ausbezahlt erhält.

 

  • Bei der Berechnung des Mindestlohnes bleiben Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung außer Betracht.

 

Unter Berücksichtigung des Vorstehenden gilt es, alle bisher bestehenden arbeitsvertraglichen Regelungen über

 

  • die Arbeitszeiten und

 

  • die jeweils geschuldete in Relation stehende Arbeitsvergütung

 

im Hinblick auf den Geldfaktor des Mindestlohnes und die reale Arbeitszeit im Kalendermonat auf die Frage abzugleichen, ob mindestens der Mindestlohn für jede tatsächlich geleistete Arbeitsstunde (Zeitstunde) tatsächlich gewährt und gezahlt wird oder zulässig in ein Arbeitszeitkonto unter bestimmten Voraussetzungen übertragen wird.

 

Zulagen und Zuschläge bzw. Regelungen über Weihnachts- und Urlaubsgeld oder sonstige zusätzliche Zahlungen sind darauf zu prüfen, ob sie im Mindestlohn anrechenbar sind oder nicht.

 

Welche Schlussfolgerungen bestehen?

 

Handlungsbedarf besteht bereits strategisch und nicht erst mit Inkrafttreten der Regelung. Rüsten Sie sich also rechtzeitig für die Bewältigung der Herausforderungen.

 

Ansprechpartner in der Kanzlei sind die dem Team Soziales und Arbeit angehörigen Rechtsanwälte Falk Zirnstein (Fachanwalt für Arbeitsrecht), Matthias Hieke und Hagen Albus (Fachanwalt für Arbeitsrecht).

 

Entgeltumwandlung: Keine Aufklärungspflicht des Arbeitgebers

 

 

Auf den gesetzlich geregelten Anspruch auch Entgeltumwandlung nach § 1a BetrAVG
muss der Arbeitgeber nach einem Urteil des BAG vom 21. 01.2014 (3 AZR 807/11)
den Arbeitnehmer nicht hinweisen.

 

Die Entgeltumwandlung ist auch eine Form der betrieblichen Altersversorgung im
Sinne des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG). Der Arbeitnehmer kann hier vom
Arbeitgeber verlangen, dass von seinem künftigen Entgelt bis zu 4 % der
jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung durch
Entgeltumwandlung für seine (betriebliche) Altersversorgung verwendet werden. Das
Recht der Betrieblichen Altersversorgung kennt verschiedene Formen der Zusage
von Leistungen. Seit 1.1.2002 gehört zu den Zusageformen auch der Anspruch auf
Umwandlung eigener Vergütung.

 

Da diese Form der Versorgung sozialversicherungsrechtlich und steuerlich
interessante Effekte im Hinblick auf die Optimierung der dem Arbeitnehmer
zufließenden Entgelt-Leistungen hat, liegt es in jedem Arbeitsverhältnis nahe
zu prüfen, ob im konkreten Fall eine Ausgestaltung einer solchen
Altersversorgung sinnvoll ist. Der Arbeitgeber ist aber nicht verpflichtet, den
Arbeitnehmer auf diese Form der Versorgung hinzuweisen.

 

Der Arbeitnehmer kann die Durchführung verlangen (Anspruch auf Entgeltumwandlung).
Es besteht ein eingeschränktes Wahlvorrecht des Arbeitgebers. Soweit er zur
Durchführung der Umwandlung über einen Pensionsfonds oder eine Pensionskasse
bereit ist, ist einer dieser beiden Durchführungswege anzuwenden. Will der
Arbeitgeber demgegenüber nur eine unmittelbare Versorgungszusage abgeben oder
die Entgeltumwandlung über eine Unterstützungskasse abwickeln, kann der
Arbeitnehmer den Abschluss einer Direktversicherung verlangen. Hier steht dem
Arbeitgeber dann allerdings wieder ein Recht zu, das Versicherungsunternehmen
auszuwählen.

 

Aus Sicht der Praxis ist es auch ohne arbeitnehmerseitigen Anspruch sinnvoll
arbeitgeberseitig zu prüfen, ob gegenüber dem Arbeitnehmer angeregt wird,
gemeinsam über die Ausgestaltung eines Modells der Entgeltumwandlung
nachzudenken. Arbeitnehmer sollten auch von sich aus die Initiative ergreifen.

Arbeitsrecht (Reiserecht)

 

Ein Arbeitnehmer handelt auf eigenes Risiko, wenn er eine Reise vor Bewilligung des Urlaubs bucht. Auch bei rechtswidriger Urlaubsverweigerung des Arbeitgebers kann der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber regelmäßig grundsätzlich keinen Schadenersatz wegen entstandener Reiserücktrittskosten verlangen, da ihn wegen der Vorbuchung an deren Entstehung ein erheblich überwiegendes Mitverschulden nach § 254 BGB trifft. Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat mit einem aktuell - und rechtzeitig mit Beginn der Buchungssaison - bekanntgewordenen  Urteil vom 12.4.2013 zu Az. 12 Sa 136/12 insoweit in Erinnerung gerufen, dass es für einen Urlaubsantritt bereits an sich grundsätzlich eines genehmigten Urlaubsantrages
bedarf.

 

LAG Baden-Würtemberg, Urteil vom 12.4.2013 - 12 Sa 136/12

Leistungsbonus durch Arbeitgeber einseitig bestimmbar

 

Sieht der Arbeitsvertrag in Bezug auf einen jährlichen Leistungsbonus die einseitige arbeitgeberseitige Bestimmung nach billigem Ermessen (§ 315 BGB) vor, liegt in einer solchen Regelung keine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Ist der Leistungsbonus vom Erreichen individueller Ziele, Teamverhalten und Erfolg abhängig, so entspricht eine Leistungsbestimmung auf „Null“ trotz des Erreichens persönlicher Ziele nur bei Vorliegen besonders gewichtiger außergewöhnlicher Umstände billigem Ermessen. Damit hat das BAG anerkannt, dass die einseitige Leistungsbestimmung auch unter AGB-rechtlichen Gesichtspunkten durch den Arbeitgeber zulässig ist (bleibt). Die Thematik, welche Grenzen bei der Leistungsbestimmung gesetzt sind, bleibt davon unberührt.

 

BAG, Urteil vom 20.03.2013 - 10 AZR 8/12

Kein Auskunftsanspruch abgelehnter Stellenbewerberin über Stellenbesetzung

 

Ob ein anderer Bewerber eingestellt wurde und gegebenenfalls aufgrund welcher Kriterien, muss der
Arbeitgeber einem abgelehnten Stellenbewerber nicht im Wege einer Auskunft mitteilen.

 

Für die Geltendmachung einer Entschädigung wegen Diskriminierung nach dem AGG gilt insoweit weiter, dass vom Bewerber ausreichende Indizien darzulegen sind, welche eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen und die nach § 22 AGG zu einer Beweislast des Arbeitgebers
dafür führen würden, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligungen
vorgelegen hat.

  

BAG, Urteil vom 25.04. 2013 - 8 AZR 287/08

Arbeitszeugnis: Kein Anspruch auf Dank und gute Wünsche

 

Der Arbeitnehmer hat keinen Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber im Arbeitszeugnis abschließend Formulierungen aufnimmt, die einen Dank für geleistete Dienste oder ein Bedauern über das Ausscheiden ausdrücken. Der Arbeitgeber muss auch keine guten Wünsche für die Zukunft äußern.

  

BAG, Urteil vom 11.12.2012 - 9 AZR 227/11

Kündigung wegen grober Beleidigung in sozialen Netzwerken

 

Grobe Beleidigungen des Arbeitgebers oder von Kollegen können eine Kündigung -auch ohne vorherige
Abmahnung - rechtfertigen. Dieser Grundsatz rückt angesichts der zunehmenden Nutzung sozialer Netzwerke und der dort schnellen und weit reichenden Verbreitungsmöglichkeiten wieder stärker in den Fokus der arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung. Auch „nicht-öffentliche“ Eintragungen für einen eingeschränkten Personenkreis können insoweit relevant sein, zählen doch häufig auch Arbeitskollegen zu den sogenannten „Freunden“.

 

Das Arbeitsgericht Duisburg für einen konkreten Einzelfall entschieden, dass eine (fristlose) Kündigung grundsätzlich möglich sein kann, im dort streitigen Fall jedoch nicht ohne vorherige Abmahnung. Das Urteil ruft insofern in Erinnerung, dass auch in Facebook und sozialen Netzwerken allgemein keine uneingeschränkte Freiheit der Äußerung besteht und allgemeine Rechtsgrundsätze auch dort (weiter)gelten.

 

Arbeitsgericht Duisburg,  Urteil vom 26.09.2012 zu Az. 5 Ca 949/12

Urlaub im Arbeitszeitkonto mit (vollen) Soll-Stunden zu erfassen

 

In Arbeitszeitkonten sind wegen der Freistellung zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs ausgefallene
Soll-Arbeitsstunden als Ist-Stunden einzustellen. Eine Vereinbarung darüber, nur eine geringere Stundenzahl als jene Soll-Arbeitsstunden in dem Arbeitszeitkonto gutzuschreiben, verstößt gegen die zwingenden Regelungen des § 13 Abs. 1 Bundesurlaubsgesetz (BurlG) und ist unwirksam.

 

BAG, Urteil vom 19.06.2012 - 9 AZR 712/10

Kündigungsbefugnis eines Niederlassungsleiters

 

Die Frage, ob eine arbeitgeberseitige Kündigung durch die richtige Person unterschrieben ist, ist für Arbeitgeber wie für Arbeitnehmer gleichsam, wenn auch aus unterschiedlicher Perspektive, rechtlich relevant. Nach § 174 Satz 1 BGB ist ein einseitiges Rechtsgeschäft (u.a. eine Kündigung), das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist. Ein Niederlassungsleiter ist grundsätzlich zum Ausspruch von Kündigungen berechtigt. Eine ausdrückliche Mitteilung hierüber ist nicht erforderlich. Es ist jedoch notwendig, dass der Arbeitgeber sich über die Person des Niederlassungs-leiters im Klaren ist. Die Formulierung "Contact Center Manager" reicht hierfür nicht aus.

 

LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 28.2. 2012,  2 Sa 290/11 (Vorinstanz: ArbG Rostock,  Urt. v.

4.8. 2011 – 2 Ca 409/11)

 



Praxis-Tipp:

 

Die Unterschriftbefugnis ist stets ein wichtiges - formales - Thema bei Kündigungen. Im Übrigen:  Kraft
Gesetzes gilt die Schriftform, d.h. Telefax und E-Mail sind ausgeschlossen.

Unternehmerhaftung bei Ausländerbeschäftigung eingeführt

Mit Einführung des §  98a Aufenthaltsgesetz sind für illegal beschäftigte Ausländer zur Durchsetzung ihrer Vergütungsansprüche zwei widerlegbare Vermutungen geschaffen worden, die es ihnen vereinfachen, Lohnansprüche gegen ihren Dienstherrn durchzusetzen. Es wird kraft Gesetzes davon ausgegangen, dass der Ausländer 3 Monate beschäftigt worden ist und dass ihm die für die Beschäftigung übliche Vergütung zusteht. Neu ist es auch, dass in der Beschäftigungskette neben dem Arbeitgeber    grundsätzlich alle in diesem Zusammenhang auftraggebenden  Unternehmer eines Werk- oder Dienstvertrages für die Vergütungsansprüche des illegal beschäftigten Ausländers (mit)haften.

Keine mehrmalige Inanspruchnahme von Pflegezeit 



 

Das Pflegezeitgesetz (PflegeZG) eröffnet dem Arbeitnehmer die Möglichkeit, durch einmalige Erklärung Pflegezeit zur Pflege von Angehörigen bis zu sechs Monate in Anspruch zu nehmen. In einem nunmehr erstmalig beim Bundesarbeitsgericht anhängigen Fall zu diesem noch relativ jungen Gesetz wurde entschieden, dass der Arbeitnehmer keine weitere Pflegezeit für denselben Angehörigen geltend machen kann, wenn er die gesetzlich maximal verfügbaren sechs Monate mit seiner (ersten) Erklärung über die Geltendmachung der Pflegezeit nicht ausgeschöpft hat. Das PflegeZG räumt dem Arbeitnehmer nur ein
einmaliges und kein mehrfaches Gestaltungsrecht ein

 

BAG, Urteil vom 15.11.2011 - 9 AZR 348/10

Automatische Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Erwerbsminderung bei Schwerbehinderten nur mit Zustimmung des Integrationsamtes

 

Im Falle des Eintritts einer (auch teilweisen) Erwerbsminderung, der Erwerbsminderung auf Zeit, der Berufsunfähigkeit oder der Erwerbsunfähigkeit auf Zeit kann das Arbeitsverhältnis bei entsprechender  Arbeitsvertragsgestaltung bzw. bestehender tariflicher Regelung auch automatisch ohne Kündigung einer der beiden Arbeitsvertragsparteien bzw. ohne Auflösungsvertrag enden. Mit seiner Entscheidung vom    09.02.2011 zu Aktenzeichen 7 AZR 221/10 hat das Bundesarbeitsgericht in Erinnerung gerufen, dass bei Schwerbehinderten diese automatische  Beendigung gleichwohl gemäß § 92 SGB IX der Zustimmung des Integrationsamtes bedarf.