NEWS / Aktuelle Rechtsprechung im Reiserecht

Anzahlung auf den Preis bei Reisen und Flügen: Gerichte klären richtige Höhe

 

Forderungen über die Anzahlung eines Flugpreises von 100 % bzw. in Höhe von 25 % und mehr bei
Pauschalreisen sind durch die Gerichte zuletzt als unzulässig festgestellt
worden. Die Urteile hierüber sind in verschiedenen Instanzen anhängig und
insofern noch nicht einhelliger Stand der Rechtsprechung.

 

Reisen und Flüge werden grundsätzlich dem Werkvertragsrecht nahe zugeordnet, weshalb für die Zahlung
des Preises das so genannte „Zug um Zug“- Prinzip gilt. Das Werkvertragsrecht
kennt an sich die Vorausleistungspflicht des Unternehmers. Gleichwohl war es bisher
in der Rechtsprechung anerkannt, dass auf den Preis für touristische Leistungen
eine Anzahlung gefordert werden kann.

 

Die Bemessungsgrenze für Pauschalreisen war zuletzt bei 20 % durch den Bundesgerichtshof (BGH) anerkannt worden. Wegen des konkreten Streitgegenstandes war nicht darüber zu befinden,
ob auch mehr gefordert werden kann.

 

Angesichts der technologischen Entwicklungen des Vertriebs von Reisen im Internet und der
dahinter stehenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen haben Veranstalter
zunehmend höhere Anzahlungen gefordert, die seitens der Verbraucherschützer vor
den Gerichten angegriffen wurden. Nach dem vorerst eher höhere Anzahlung im
Bereich von 40 % angegriffen waren und z.B. 25 % flächendeckend vorerst unbeanstandet blieben,
sind zuletzt auch die niedrigeren Anzahlungen angegriffen worden. Das
Oberlandesgericht Frankfurt am Main (Urteil vom 16. Januar 2014 zu Az. 16 U
78/13) sowie das Landgericht Düsseldorf (Urteil vom 13.11.2013 zu Az. 12 O4
117/12) haben nun Anzahlungen von 25 bzw. 30 % als unwirksam angesehen. Das Oberlandesgericht
Frankfurt am Main hat die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen, weshalb
abzuwarten bleibt, ob der BGH über die bisher von ihm „abgesegnete“ Grenze von
20 % hinausgeht.

 

Flüge, für die das Pauschalreiserecht der §§ 651a ff. BGB nicht gilt, sind ebenfalls dem
Werkleistungsrecht zugerechnet. Im Zusammenhang mit Billigflug-Angeboten wirkten
die Forderungen der Fluggesellschaften auf 100 % Anzahlung als Motivator für
die Anhebung der Anzahlungen bei den Pauschalreisen. Nun sind diese
Anzahlungsforderungen von 100 % des Flugpreises in den Fokus der
Verbraucherschützer gelangt und auch gerichtlich angegriffen worden. In einem
ersten bekannt gewordenen Urteil ist diese Forderung der vollen Anzahlung des
Flugpreises als unwirksam festgestellt worden (Landgericht Frankfurt am Main,
Urteil vom 8.1.2014 (2-24 O 151/13). Es ist zu erwarten, dass dieses Thema die
Gerichte in naher Zukunft weiter befasst.

 

Für die Praxis verbleibt eine erhebliche Verunsicherung, auch im Hinblick auf die Frage der Vorgehensweise auf beiden Seiten der jeweiligen Verträge, die erst mit höchstrichterlicher
Rechtsprechung durch den Bundesgerichtshof wohl aufgelöst werden kann.

 

Keine ständige Kontrolle der Wanderwege durch Veranstalter kostenpflichtiger Wanderungen

 

Grundsätzlich obliegt dem Veranstalter kostenpflichtiger Wanderungen auch die Verkehrs-sicherungspflicht und eine Haftung für Körperschäden.

 

Die Haftung kann auch nicht wirksam durch vertragliche Regelung ausgeschlossen werden.

 

Der Veranstalter ist jedoch nicht verpflichtet sämtliche Wanderwege ständig auf ihre Sicherheit hin zu kontrollieren, insbesondere haftet er nicht, wenn die Strecke für viele andere Wanderer passierbar ist und erst der Unfall erkennen lässt, dass ein Weg gesichert oder vor einer Gefahr gewarnt werden muss.

 

OLG Koblenz, Beschluss vom 18.02.2013 - 5 U 34/13

Zoll ist kein Erfüllungsgehilfe des Reiseveranstalters bei der Kofferabfertigung

 

Eine Verzögerung der Kofferabfertigung durch den Zoll ist einem Reiseveranstalter grundsätzlich nicht
zuzurechnen. Die Beamten des Zolls sind kein Erfüllungsgehilfe des Reiseveranstalters gemäß § 278 BGB und auch nicht dessen Verrichtungsgehilfen nach § 831 BGB. Der Umstand der Beschlagnahme eines Koffers durch den Zoll ist ein allgemeines Risiko eines jeden Reisenden; Ansprüche auf Reisepreisminderung und Schadensersatz sind insoweit gegen den Reiseveranstalter grundsätzlich ausgeschlossen.

 

LG Dresden, Urteil vom 21.12.2012 - 3 S 403/12

Wiesbadener Tabelle der Fluggastrechte veröffentlichet

 

Fluggastrechte im Überblick: Die von den renomierten Experten des Luftfahrtrechts Herrn Prof. Dr. Roland Schmid und Herrn Rechtsanwalt Holger Hopperdietzel neu geschaffene "Wiesbadener Tabelle" ist gutes Medium zur Information für Juristen und juristische "Laien" in der bewährten Form einer Rechtsprechungsübersicht als Tabelle:

http://www.wiesbadener-tabelle.de/

 

Ansprüche nach VO (EG) 261/2004 sind für Anschlussflug gesondert zu prüfen

 

Fluggastrechte  nach der VO (EG) 261/2004 sind ein Dauerbrenner gerichtlicher Entscheidungen im
Reiserecht, nach wie vor auch bei den höchsten Gerichten, insoweit dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) bzw. Bundesgerichtshof (BGH).

 

Auch wenn nach dem Text der Verordnung lediglich der Fall der Annullierung und der Nichtbeförderung einen Anspruch auf sogenannte Ausgleichszahlung (zwischen 250 und 600 Euro je Person in Abhängigkeit
der Flugdistanz) begründet, ist durch die Rechtsprechung entschieden worden, dass auch bei der so genannten „großen Verspätung“ ein solcher Ausgleichsanspruch besteht. In aktuellen Entscheidungen des BGH vom 13.11.2012 zu Aktenzeichen X ZR 12/12 bzw. X ZR 14/12 ist entschieden worden, dass für jeden einzelnen Flugabschnitt gesondert zu prüfen ist, ob ein Anspruch besteht. Verspätet sich lediglich der Anschlussflug, besteht dann kein Anspruch, wenn die Voraussetzungen für die Anwendung der Verordnung für diesen Anschlussflug nicht erfüllt sind, z.B. der Anschlussflug durch eine nicht in der EU ansässige Fluggesellschaft außereuropäisch durchgeführt wurde.

 

BGH, Urteile vom 13.11.2012 zu Aktenzeichen X ZR 12/12 bzw. X ZR 14/12

Klagerecht in Deutschland auch bei Ferienhausmiete im Ausland

 

Auf die Vermietung von Ferienhäusern wird grundsätzlich Mietvertragsrecht angewendet, weshalb in der Regel der  Gerichtsstand der Belegenheit des Mietobjekts und insoweit des Standortes des
Ferienhauses gilt.

 

Stehen sich Mieter und Eigentümer der Immobilie nicht unmittelbar gegenüber, sondern ist ein Reiseveranstalter zwischengeschaltet, kann der Verbraucher an seinem Wohnsitz gegen den Reiseveranstalter klagen. Dies hat der Bundesgerichtshof zur Frage der (internationalen) Zuständigkeit
des Gerichts in Deutschland für ein über einen Ferienhausanbieter im Ausland gemietetes Ferienobjekt entschieden.

 

Bei Mängeln kommt im Übrigen (unter bestimmten Voraussetzungen) auch in solchen Fällen der (reinen)Ferienhausmiete eine Entschädigung wegen nutzlos aufgewandter Urlaubszeit nach § 651f Abs. 2 BGB infrage, auch wenn der Reiseveranstalter keine Gesamtheit von Reiseleistungen (Bündelung von zwei
Hauptleistungen) erbringt.

 

BGH, Urteil vom 23.10.2012, Az.: X ZR 157/11

Sport-, Abenteuer- und Expeditionsangebote im Korsett des Reiserechts (§§ 651a ff BGB)

- Vortrag auf dem Reiserechtstag der Deutschen Gesellschft für Reiserecht  (DGfR) in Salzburg -

 

In meinem Vortrag am 29. September 2012 standen u.a. folgende Aussagen im Mittelpunkt:

 

  • auch für solche Spezialreisen gelten uneingeschränkt die Regelungen des Pauschalreiserechts
  • der Reisende willigt mit der Teilname nicht in eine Selbstgefährdung ein
  •  Veranstalter haben umfassende Informations- und Hinweispflichten
  • der Ausfall von Leistungen rechtfertigt verschuldensunabhängig eine Preisminderung
  • schon für Tagesangebote kann ein Sicherungsschein erforderlich sein
  • es besteht eine umfassende Umweltbeobachtungspflicht

 

Beispiele aus der Rechtsprechung:

 

  • Mitsegelangebote gegen Entgelt können Pauschalreise sein
  • auf möglichen Dauerregen bei Reiterreisen in die Puszta muss hingewiesen werden
  • Routenänderungen können Reisemangel sein
  • der Ausfall von Sporteinrichtungen berechtigt zur Minderung
  • Reisebüro oder Tauchclub ("Vermittler") kann wie Reiseveranstalter haften

Reisemängel - Minderungsbeispiele:

 

1. Erfolgt die Landung des Rückflugs an einem anderen Ort – hier: in Paderborn statt in Leipzig –, so ist
eine Minderung in Höhe von 70 % bezogen auf den Tagesgesamtpreis angemessen.

 

2. Sofern von einem öffentlichen Teil des Strandes Lärm ausgeht, der einen als Ruhepool bezeichneten Ort beeinträchtigt, stellt dies einen minderungserheblichen Mangel dar. Wie laut der Lärm ist und ob dadurch tatsächlich eine Belästigung stattgefunden hat, liegt im subjektiven Empfinden des Einzelnen. Der Mangel rechtfertigt eine Minderung um 5 %.

 

3. Kommt es in einem Hotel in südlichen Ländern aufgrund der klimatischen Verhältnisse zu schwarzer
Schimmelbildung im Fugenbereich des Badezimmers, ist eine Minderung von 5 % gerechtfertigt.

 

AG Köln, Urt. v. 14. 6.2011 – 142 C 217/10 [Die Entscheidung ist auszugsweise abgedruckt in der Zeitschrift ReiseRecht aktuell (RRa) 2012, S.157]

Reisevertragsrecht auf Angebote von Klein- und Nischen-Veranstaltern und Vereinen grundsätzlich anwendbar

Mit-Segel-Gelegenheiten gegen Entgelt, Tagesausflüge mit Konzertbesuch, Wanderausausflüge auch für Nichtmitglieder von Vereinen: Die Zahl und Form der Angebote, die nach der Sicht des Organisators nicht unter das Reise-Recht fallen (sollen), sind groß und vielfältig, die Folgen der übersehenden Anwendbarkeit des Reiserechts auch. Das Erfordernis der Reisepreisabsicherung durch die Überlassung eines Sicherungsscheins, das Verbot der Annahme von Vorauszahlungen ohne Überlassung eines solchen Scheins und eine Vielzahl von Klauselverboten wegen des Vorrangs gesetzlicher Regelungen des Reiserechts, sind nur ausgewählte Themen, die aus Sicht des Reiseveranstalters genauso wie des Reisenden - natürlich mit unterschiedlicher Interessenlage – in der Regel erst im Krisenfall in das Zentrum der Betrachtung geraten. Eine aktuelle Entscheidung des Landgerichts Köln (Beschluss vom 26.01.2012 - 31 O 41/12) aufgrund eines von der Wettbewerbszentrale angestrengten Verfahrens gegen eine Segelschule, erinnert an die Existenz dieses Themenkomplexes und an die Tatsache, dass z.B. das Privileg des Gelegenheitsveranstalters (§ 651k Abs. 6 Nr. 1 BGB) schon dann nicht mehr eingreift, wenn ein Verein (oder anderer Anbieter) mehr als zwei Reisen pro Jahr veranstaltet.